Ein geübter Speedreader bräuchte für diesen Artikel nicht länger als eine halbe Minute. In dieser Zeit hätte er oder sie im nächsten Tab sogar noch zwei weitere Texte offen, den er oder sie fertig gelesen hätte, bevor der Sekundenzeiger wieder bei zwölf ist! Lesegeschwindigkeiten von bis zu 2 000 Wörtern pro Minuten sollen mit der richtigen Technik problemlos möglich sein. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Leser schafft nur etwa 250 Wörter pro Minute – er braucht für diesen Artikel also etwa vier Minuten. Doch nicht nur das: Er kann auch nur 65% von dem, was er liest, verstehen. Speed Reading soll diese Geschwindigkeit verzehnfachen. Dabei soll die Verständnisrate nicht nur gleich bleiben, sondern sich sogar erhöhen. Ein Schnellleser liest also nicht nur schneller, nein, er versteht auch mehr davon, was er liest.
Ich weiß ja nicht, wie das bei Dir so ist, doch für mein Studium wäre diese Aussicht ein Traum! Dostojevskij innerhalb weniger Stunden lesen? Nur wenige Minuten für einen Fachartikel brauchen? Wie cool wäre das denn?
Eines ist auf jeden Fall klar: Speed Reading ist in aller Munde. Kurse gibt es inzwischen an jeder Universität und an Volkshochschulen. Von den ganzen privaten Anbietern fange ich gar nicht erst an. Und dann sind da noch die ganzen Apps, Videos und Bücher, die dabei helfen sollen, die Lesegeschwindigkeit in die Höhe zu treiben. Sogar einen offiziellen Weltrekord im Speed Reading gibt es: Den hält Anne Jones mit einer Geschwindigkeit von 4 251 Wörtern pro Minute. Für den letzten Teil der Harry-Potter-Saga brauchte sie nur knappe 47 Minuten.
Und auch noch schneller soll möglich sein: 1969 entdeckte G. Harry McLaughlin „Mrs. L.“. Für sie seien 3 750 Wörter pro Minute durchschnittlich, ihre Spitzengeschwindigkeit soll bei 9 000 Wörtern pro Minute liegen. Bei einer weiteren Untersuchung von 1970 sollen manche Teilnehmer sogar Geschwindigkeiten von über 20 000 Wörtern pro Minute gehabt haben! Doch ob das wirklich stimmt? Das wird schon seit den ersten Berichten über diese Untersuchungen angezweifelt.
Doch egal ob Wahrheit oder Lüge: Wie soll das gehen? Und, noch wichtiger: Wie kann ich das lernen? Ganz einfach! Hier sind die wichtigsten Tipps und Tricks für schnelleres Lesen!
Tipp 1: Kenne Deine Lesezeit
Dafür brauchst Du keine besonderen Hilfsmittel, nur eine Internetverbindung. Tests gibt es massenhaft online! Wenn Du die Zeit, die Du zum Lesen brauchst, kennst, dann weißt Du auch, worauf Du aufbaust. Bist Du von Natur aus besonders schnell im Lesen? Oder besonders langsam? Und wie gut ist Dein Leseverständnis? Im Speed Reading ist es nicht nur wichtig, schnell zu lesen, sondern vor allem, möglichst viel zu verstehen. Was bringt es, ein Buch wie „Harry Potter“ in 45 Minuten lesen zu können, wenn man danach nur weiß, dass es um Zauberer geht, die gegeneinander kämpfen?
Tipp 2: Habe ein klares Ziel für jeden Text
Was möchtest Du durch diesen Text erreichen? Bist Du auf der Suche nach ganz bestimmten Informationen? Sobald Du das weißt, kannst Du gezielt nach Stichwörtern suchen. Am besten wäre es, den Text einfach zu scannen. Alles, das nicht direkt dabei hilft, dein Ziel zu erreichen, muss ausgeblendet werden.
Tipp 3: Lies jeden Text zuerst quer
Am besten funktioniert das mit der „Zick-Zack-Methode“ oder der „S-Methode“. Beide Methoden funktionieren gleich: Konzentriere dich nicht auf einzelne Wörter oder Zeilen, sondern lasse Deine Augen in einem Zick-Zack- oder S-Muster über die Seite wandern. Danach hast Du schon mal einen groben Überblick, um was es im Text denn eigentlich geht. Relevante Informationen kannst Du jetzt viel schneller finden.
Tipp 4: Der Kinofilm
Würdest Du einen Action-Thriller zurückspulen, nur weil Du in einer Szene nicht alles genau verstanden hast? Nein? Dann mach das auch nicht mit Texten. Wenn Du etwas nicht gleich verstehst, dann lies Zeilen nicht noch ein zweites Mal. Versuche darauf zu vertrauen, dass sich Unklarheiten durch den Kontext erklären werden.
Tipp 5: „Subvokalisierung“ ist Dein größter Feind
Sprich Texte auf keinen Fall lautlos mit! Die Lippenbewegung bremst Dich. Am besten wäre es, den Text nur noch im Kopf mitzusprechen. Das mag anstrengend sein, aber hey! Es lohnt sich. Allein durch diese Maßnahme soll man bis zu 50 Mal schneller lesen können.
Tipp 6: Unterteile Sätze | in sinnvolle Wortgruppen
Diese Wortgruppen sollten etwa | drei bis vier | Wörter lang sein.| Genau so, wie ich | das gerade mache. | Lenke Deinen Fokus weg | von einzelnen Wörtern,| sondern versuche, die Wortgruppen | als ganze wahrzunehmen. |
Tipp 7: Vergrößere Deinen Wortschatz
Gerade bei wissenschaftlichen Texten macht es total Sinn, dass man schneller liest, wenn man nicht jedes zweite Wort nachschlagen muss. Wenn Dir also das nächste Mal ein Wort begegnet, das Du (noch) nicht kennst, dann schreib es auf, schlage es nach und lerne es auswendig. Das nächste Mal, wenn Du es irgendwo siehst, kannst Du es schon verstehen und musst nicht mehr lange nachdenken!
Tipp 8: Visualisiere
Gerade bei nicht-wissenschaftlicher Unterhaltungsliteratur ist diese Technik hilfreich. Stell Dir die Handlung bildlich vor. Wie sieht die Protagonistin aus? Was macht sie? Wo ist sie? Was nimmt sie wahr? Viele Leute machen das ganz automatisch, doch auch, wenn Du das nicht machst, kannst Du das immer noch lernen. Versuche zu Beginn, Dir aufzuzeichnen, wie sich die Figuren bewegen und wo sie sind. Zu Beginn wird Dich das vielleicht bremsen, doch sobald Du den Dreh raus hast, kannst das Deine Lesegeschwindigkeit enorm in die Höhe treiben.
Tipp 9: Mach regelmäßig Pause
Gerade wenn Du es nicht gewohnt bist, in kurzer Zeit viel zu lesen, sind Pausen wichtig. Sonst könnte es passieren, dass Du Dich überanstrengst und Informationen gleich wieder vergisst. Gerade Anfänger sollten nach spätestens 20 Minuten eine kurze Pause einlegen. Immerhin arbeiten sie gegen ihr natürliches Lesetempo. Das kann enorm stressig sein. Aber auch, wenn Du schon ein Meister im Schnelllesen bist, solltest Du spätestens nach 45 Minuten (also einem Harry-Potter-Band) eine Pause einlegen.
Tipp 10: Nutze technische Hilfsmittel
Wir leben in einer Zeit, in der fast jeder Zugriff auf die wunderbare Welt des Internets hat. Warum nutzen wir sie denn nicht einfach? Da wäre der sogenannte „ZAP-Reader“: Hier kann man Text in ein Schriftfeld einfügen, der dann in einzelne Teile unterteilt wird und mit einer Geschwindigkeit von 300 Wörtern pro Minute auf dem Bildschirm angezeigt wird. Du hast gar keine andere Wahl, als schnell mitzulesen! Ein weiteres bekanntes Beispiel, das aber leider kostenpflichtig ist, ist „BeeLine Reader“. Hier wird der Text eingefärbt. Durch farbliche Übergänge soll das Auge besser die Zeile halten können und so einfacher – und schneller – lesen.
Das sind die zehn wichtigsten Tipps für schnelles Lesen. Hast Du schon Erfahrungen mit Speed Reading gemacht? Kennst Du noch andere Tipps und Tricks? Wenn ja: Schreibe einen Kommentar und lass es mich auf jeden Fall wissen!